Bei der Frage der Verjährung von Ansprüchen gegen Architekten/Ingenieure trifft man gelegentlich auf hartnäckige Mythen. Oftmals wird den Planern vorgehalten, dass die Haftung für versteckte Planungsfehler oder Mängel 30 Jahre beträgt oder die Haftung für Personenschäden nie verjährt. Das ist nicht richtig.
Das deutsche Recht kennt diverse Anspruchsgrundlagen, für die zum Teil unterschiedliche Verjährungsfristen gelten.
1. Regelmäßige Verjährungsfrist
Wenn bei Baumaßnahmen Dritte, z.B. Bauarbeiter oder Passanten, zu Schaden kommen oder nachbarschaftliche Rechte verletzt werden, können diesen deliktische Ansprüche gegen den verantwortlichen Architekten/Ingenieur zustehen. Deliktische Ansprüche verjähren in der sog. regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, deren Verjährungsbeginn an die Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen und des Schädigers geknüpft ist.
2. Fünfjährige Verjährungsfrist für Werkvertragliche Mängelansprüche
In der Praxis weitaus häufiger sind jedoch die vertraglichen Schadensersatzansprüche, die der Bauherr gegen die von ihm beauftragten Architekten/Ingenieure und Unternehmen geltend machen kann. Sie stellen den Hauptanwendungsfall dar und machen das Gros der Streitigkeiten unter den Baubeteiligten aus.
Der Architekten-/Ingenieurvertrag ist dem werkvertraglichen Haftungsregime unterworfen, sodass für vertragliche Mängelansprüche die besonderen Verjährungsregelungen des Werkvertragsrechts maßgeblich sind.
Nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt für die werkvertraglichen Ansprüche aus einem Architekten- oder Ingenieurvertrag, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen für ein Bauwerk besteht, eine fünfjährige Verjährungsfrist. Diese Verjährungsregelung erfasst sämtliche Mängel, also auch sog. verdeckte Mängel, die erstmal nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist erkennbar werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gibt es nur für Mängel, die arglistig verschwiegen wurden.
Wichtig ist die Besonderheit, dass der Beginn der Verjährung an die Abnahme des vertragsmäßig hergestellten Werkes geknüpft ist. Architekten/Ingenieure haben einen Anspruch auf Abnahme ihrer Werkleistungen. Die Abnahme stellt zugleich eine der wenigen echten Mitwirkungspflichten der Bauherrenschaft dar.
Das Wort „Anspruch“ beinhaltet aber auch, dass die Abnahme dem Architekten/Ingenieur nicht in den Schoß fällt, sondern geltend gemacht werden muss.
Hieraus ergeben sich für den Architekten-/Ingenieurvertrag zwei typische Probleme.
a) Nicht erfolgte oder dokumentierte Abnahme
Während die Abnahme der Werkunternehmerleistung in der Regel anhand von Abnahmeprotokollen, die bei der gemeinsamen Begehung erstellt wurden, gut dokumentiert ist, fehlt es oftmals an einer förmlichen oder schriftlichen Abnahme der Architektenleistung. Das ist besonders nachteilig, wenn die Abnahme vom Bauherrn bestritten wird, weilt der Architekt die Beweislast für die erfolgte Abnahme trägt.
In diesen Fällen muss der Architekt versuchen, eine Abnahme anhand von Indizien darzulegen, wie z.B. die vorbehaltlose Zahlung einer Schlussrechnung, und ist auf das Wohlwollen der Gerichte angewiesen. Besonders ärgerlich wird es dann für den Architekten, wenn er die Schlussrechnung nicht zeitnah gestellt hat oder die vorbehaltlose Zahlung wegen kleinerer Streitigkeiten unterblieben und die ausstehende Restforderung nicht weiterverfolgt worden ist.
b) Leistungsphase 9
Ein weiterer altbekannter Problemfall ist die Leistungsphase 9. Sofern der Architekt auch mit dieser Leistungsphase beauftragt wurde und keine Teilabnahme vereinbart hatte, ist seine gesamte Leistung erst vertragsmäßig erbracht, wenn die Begehung vor Ablauf der Gewährleistungsfristen mit dem Unternehmer durchgeführt wurde. In diesen Fällen steht der Werkunternehmer schon kurz vor der Verjährung, während die Verjährungsfrist des Architekten noch gar nicht begonnen hat. In diesen Fällen ist es nicht untertrieben, wenn man attestiert, dass der Architekt mindestens 10 Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes noch haftet.
Besonders problematisch wird es dann, wenn trotz Beauftragung der Leistungsphase 9 die Schlussbegehung nicht mehr durchgeführt wird und der Architektenvertrag nie formal sauber beendet wurde.
Für Verträge, die nach 2018 geschlossen wurden, steht dem Architekten ein Anspruch auf Teilabnahme gemäß § 650s BGB nach Abnahme der letzten Leistung der bauausführenden Unternehmer zu. Auch hier gilt aber wie zuvor gesagt, dass der Anspruch geltend gemacht werden muss.
Praxistipp:
Die Abnahme hat nicht nur für die Verjährung eine zentrale Bedeutung, sondern auch für die Fälligkeit Ihres Honoraranspruchs und für die Beweislast im Mangelfall. Da die (Teil-)Abnahme als Anspruch ausgestaltet ist, ist es wichtig, dass Architekten/Ingenieure ihre Bauherren zeitnah nach Fertigstellung des Objekts aktiv zur (Teil-)Abnahme ihrer Architekten-/Ingenieurleistung auffordern. Sofern Bauherren eine Abnahme verweigern oder nicht reagieren, sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, den Bauherren eine Frist zur Abnahme zu bestimmen.
Architekten/Ingenieure sollten grundsätzlich versuchen, die Beauftragung der Leistungsphase 9 zu vermeiden, da der Bauherr sich auf diese Weise sehr günstig eine zehnjährige Haftung einkaufen kann. Sollte dies nicht möglich sein, sollten Architekten/Ingenieure zwingend von ihrem Recht auf Teilabnahme Gebrauch machen.
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