Das alte Graf-Eberhard-Bad in Bad Wildbad im Nordschwarzwald gilt seit 165 Jahren als einer der schönsten Badetempel Europas. 1847 direkt über einer Thermalquelle erbaut, erfuhr es im Laufe der Jahre verschiedene Erweiterungen und Modernisierungen. Geprägt wird das Ensemble durch das neue Eberhardsbad, einem Terrassenbau aus den 70er Jahren, der seit einigen Jahren leer steht. Das historische Erlebnisbad mit seiner maurischen Halle und den Fürstenbädern erweitert nun sein Wellnessangebot mit einer segelüberspannten Spaanlage im Außenbereich.
Die Gemeinde Bad Wildbad liegt idyllisch, aber auch beengt im Enztal im Nordschwarzwald. Daher entschloss man sich die brachliegenden Außenflächen des 70er-Jahre Baus für die Erweiterung zu nutzen. Das Stuttgarter Architekturbüro Kauffmann Theilig & Partner gestaltete auf den Terrassenflächen im zweiten und dritten Obergeschoss eine freundliche Spalandschaft – geprägt von warmen Holztönen. Sie wird durch eine speziell ausgewählte Beleuchtung zusätzlich in Szene gesetzt wird. Den Besucher leitet eine hölzerne Freitreppenanlage vom Saunainnenhof des historischen Bades hinauf in die neue Anlage. Von dort bewegt er sich in einer polygonalen Holzlandschaft vorbei an verschiedenen Saunaangeboten zum Glanzpunkt der Anlage: einem neuen Außenbecken auf dem Dach, das seinen Nutzern einen beeindruckenden Ausblick über das Tal bietet.
Um den Einblick vom nahegelegenen Thermenhotel zu verhindern und den Saunabesuchern Privatheit zu bieten, spannt über die gesamte Nordseite der Becken-Ebene eine filigrane Membrankonstruktion. Sie bietet zudem Witterungsschutz und rahmt den Blick nach Süden und Osten ins Tal ein.
Die leichte Konstruktion wirkt trotz der geometrischen und konstruktiven Herausforderungen schwebend – oder auch gerade deshalb. formTL, die Membranspezialisten vom Bodensee, waren als Tragwerksplaner von der Entwurfsplanung bis zur Bauüberwachung für das Membrandach verantwortlich. In der Grundstruktur handelt es sich um eine vorgespannte Membran mit drei Hochpunkten und seitlicher Randabspannung. Um einen effektiven Sichtschutz zu bieten, ist das Membrandach um die Längsachse gekippt, woraus eine extreme Geometrie entsteht: Die Konstruktion hat sehr steile und flache Bereiche – letztere sind insbesondere wegen der winterlichen Schneelasten eine Herausforderung. Darüber hinaus sind die organisch geformten Hochpunktringe rund um die Masten geometrisch exakt in die zweiachsig gekrümmte Membranoberfläche integriert und bieten freie Durchsicht in den Himmel.
Auffällig ist die außergewöhnliche Länge des stützenfreien vorderen Randes. Schon auf freiem Gelände wäre dies eine anspruchsvolle Konstruktion. Die Errichtung auf dem Bestandsbau in Bad Wildbad erhöht den Schwierigkeitsgrad. Sowohl das von Kauffmann, Theilig & Partner geplante Außenbecken als auch der Membran-Sichtschutz waren mit möglichst geringen Eingriffen in die Substanz zu planen. Bei der Platzierung der Fuß- oder Abspannpunkte galt es zusätzlich zu berücksichtigen, wo die Unterzüge der darunter liegenden Ebenen verlaufen. Mit ihrer Komplexität und Anmutung kann sich diese Konstruktion deshalb mit anspruchsvollen Großprojekten aus dem Portfolio der Membranspezialisten von formTL messen.
Bauherr: Staatsbad Wildbad Bäder- und Kurbetriebs GmbH
Architekt: KTP Kauffmann, Theilig & Partner, www.ktp-architekten.de
Konfektionär: Velabran/Novum
Tragwerkplaner Membrandach: formTL, www.form-TL.de
Pläne und Ansichten: formTL
Fotos: Roland Halbe; formTL