Der Wolfgang Hartmann Preis für junge KunsthistorikerInnen geht 2011 an unsere Autorin und Inhaberin von deconarch Simone Kraft M.A. (Heidelberg). Ausgezeichnet wird ihr Ausstellungskonzept »(In)Visible Cities«, das der ganz alltäglichen urbanen Architektur nachspürt und die vermeintlich unsichtbar gewordene Stadt wieder sichtbar werden lässt. Durch die Arbeiten der vier ausgewählten KünstlerInnen Annett Zinsmeister (Fotografie/Installation), Stefan Hoenerloh (Malerei), Johannes Twielemeier (Fotografie) und Karl-Heinz Bogner (Architektur-objekt/Zeichnung) werden dem Betrachter neue Perspektiven geboten, den urbanen Umraum und die ihn gliedernden architektonischen Strukturen neu zu entdecken. Die Ausstellung ist vom 1. Oktober bis zum 06. November 2011 im Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen zu sehen.
(In)Visible Cities?
Das Leben in Städten ist normal geworden. In westlichen Ländern wohnen Dreiviertel der Bevölkerung in urbanen Gebieten, die Wanderungsbewegungen in städtische Räume sind so stark wie nie zuvor. Weltweit leben zunehmend mehr Menschen in Städten als auf dem Land – Tendenz steigend. Metropolen und Megastädte mit mehreren Millionen Einwohnern gewinnen damit eine immer größere Bedeutung als zentrale Lebensräume der Menschheit, die Urbanisierung prägt die menschliche Lebenswelt immer nachhaltiger und grundsätzlicher. Städtische Strukturen sind im 21. Jahrhundert zum normalen Habitat des Menschen geworden. Aber was ist »Stadt«?
Eine Stadt ist ein Konglomerat zahlreicher Faktoren, ein Zusammenspiel kultureller und sozialer ebenso wie ökonomischer, infrastruktureller und finanzieller Aspekte. Am deutlichsten sichtbar und damit unmittelbar plastisch erfahrbar wird Stadt jedoch im Gebauten: Architektonische Strukturen und Konstruktionen, Häuser, Straßen, Plätze, Brücken prägen das urbane »Gesicht«.
Dennoch nimmt der Großteil der Stadtbewohner seine architektonische Umgebung kaum bewusst wahr. Funktionale Nutzbauten wie Büros, Wohngebäude, Werkhallen, denen man tagtäglich begegnet, werden nicht beachtet. Allenfalls außergewöhnliche Bauwerke aus vergangenen Zeiten oder extravagante moderne Bauten werden bemerkt und gegebenenfalls diskutiert. Die allgemeinen architektonischen »Hüllen« unseres Alltags hingegen werden hingenommen, ohne ihnen viel Aufmerksamkeit zu widmen. Eine überraschende Situation, bedenkt man die Bedeutung der Architektur, die nicht nur das menschliche Lebensumfeld gestaltet, sondern auch die kulturelle und historische Identität wesentlich mitformt.
Architektur als Baukunst bedeutet mehr als das formale Errichten von Gebäuden, als Ingenieurswesen im engeren Sinne. Architektur ist das Denken und Gestalten von Raum als einer wesentlichen Facette des menschlichen Lebens: Einen Großteil unseres Alltags verbringen wir in gebauten Räumen – nicht umsonst spricht man von »Lebens-Raum«.
Im Zeitalter der Globalisierung wird jedoch nicht nur unsere Aufmerksamkeit für die Architektur um uns geringer, auch die Individualität der Städte selbst schwindet. Die modernen Metropolen gleichen sich einander zunehmend an und verlieren ihr individuelles Gesicht: Wolkenkratzerwelten, Straßennetze, Satellitenstädte folgen von den USA über Europa bis nach Afrika und Asien den immer gleichen Mustern. Die Innenstädte werden mit denselben Ladenketten hinter stylischen Glasfassaden in Fußgängerzonen anonym und austauschbar. In den letzten Jahrzehnten haben die urbanen Bautendenzen zu einem Stadtbild geführt, das kontinuierlich wiederholt wird und die Städte dabei »unsichtbar« werden lässt.
Diese Problematik stellt die Ausstellung »(In)Visible Cities« in den Mittelpunkt.
Es gilt, den Blick zu schärfen für den uns umgebenden gebauten urbanen Umraum und die ihn prägenden architektonischen Strukturen – es gilt, die unsichtbaren Städte sichtbar werden zu lassen.
Der Zugang zur Thematik, wie er in der Kombination der ausgewählten Kunstwerke zum Ausdruck kommt, bietet überraschende Einsichten, ungewohnte Anblicke, neue Denkansätze. Das Bewusstsein der Ausstellungsbesucher für das allzu gewohnte Thema wird geweckt, Fragen werden aufgeworfen und der Blick für Architektur geschärft.
Die Ausstellung wird von einer Publikation begleitet, die neben ausführlichen Interviews mit den präsentierten Künstlern auch einen Textbeitrag von Cordula Rau, Kuratorin des deutschen Beitrags zur Architekturbiennale Venedig 2010, enthält.
Zum Wolfgang Hartmann Preis
Der Wolfgang Hartmann Preis entstand im Jahre 2001 dank einer Benefizausstellung von über hundert Künstlerinnen und Künstlern und mit Hilfe weiterer Spender zur Erinnerung an den 1999 verstorbenen Karlsruher Kunsthistoriker Prof. Dr. Wolfgang Hartmann, der sich Zeit seines Lebens engagiert der Vermittlung zeitgenössischer Kunst gewidmet hat. Ziel des alle zwei Jahre vergebenen Preises ist es, mit der Förderung kuratorischer Projekte junge Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker zur Auseinandersetzung mit aktueller Kunst zu ermutigen.
(In)Visible Cities
Karl-Heinz Bogner, Stefan Hoenerloh, Johannes Twielemeier, Annett Zinsmeister invisiblecities2011.wordpress.com
01.10.2011 bis 06.11.2011
Vernissage am 30.09.2011, 20 Uhr
Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen
www.kunstverein-ettlingen.de
Am 23.10.2011, 16 Uhr, führt die Preisträgerin Simone Kraft durch die Ausstellung