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Interview: Building Information Management bei Wolff & Müller

Das Porsche Casino in Weissach war eines der umfangreichsten BIM-Pilotprojekte für Wolff & Müller. Quelle: asp Architekten

Menschen

 

INTERVIEW

Redaktion: Wolff & Müller hat angekündigt, die Rohbauleistung aller Hochbauprojekte mit BIM abzuwickeln. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Zeynep Kaplan: Diesem Meilenstein ging eine lange Entwicklung voraus. Das Unternehmen hat sich schon sehr früh, seit 2008, mit Building Information Management befasst und sukzessive die dafür nötigen Säulen aufgebaut. Am wichtigsten war und ist es, alle Mitarbeiter auf den neuen Weg mitzunehmen und sie entsprechend zu schulen. Um ein Verständnis für das Gesamtkonzept BIM zu entwickeln, haben wir zunächst Erfahrungen in der Planungs- und dann in der Ausführungsphase gesammelt.

Der nächste Meilenstein bestand darin, BIM-Projekte zusammen mit externen Partnern zu bearbeiten. Dabei spielten Pilotprojekte wie das Rathaus Leonberg und das Porsche Casino in Weissach eine große Rolle. Jetzt sind wir soweit, dass unsere gesammelten Erfahrungen jedem Hochbauprojekt zugutekommen können. Standardmäßig nutzten wir BIM in der Rohbauphase. Wünscht sich der Kunde auch in weiteren Phasen eine BIM-Anwendung und schafft hierfür die Rahmenbedingungen, setzen wir auch dies um. Letztendlich hängt das vom Bauherrn ab: Wir freuen uns über jeden Kunden, der die Methode schätzt und aktiv einfordert.

Von Beginn an stand fest, dass das Porsche Casino in Weissach komplett mit BIM realisiert werden sollte. Quelle: Wolff & Müller
Von Beginn an stand fest, dass das Porsche Casino in Weissach komplett mit BIM realisiert werden sollte. Quelle: Wolff & Müller


Redaktion: Was genau erhoffen Sie sich von BIM?

Zeynep Kaplan: Der große Vorteil ist, dass ein konsistentes Datenmodell als einzige und stets aktuelle Informationsquelle – Single Source of Truth – entsteht. Jeder Projektbeteiligte greift jederzeit auf die gleichen Informationen zu. Dadurch können sich alle viel enger abstimmen als bei der herkömmlichen Planung mit 2D-Plänen. BIM verlagert die Planung zwangsweise in die frühen Projektphasen; aufwändige baubegleitende Änderungen werden auf ein Minimum reduziert. Das verbessert die Qualität, Termin- und Kostensicherheit der Bauprojekte.

Vielen ist noch nicht bewusst, dass sich der Mehrwert von BIM auch in der langen Betriebsphase zeigt. Man kann den gesamten Ausbau im Modell hinterlegen und so für das Facility Management die Energieversorgung, Wartung und Reinigung, aber auch eventuelle nutzungserforderliche Umbauten, viel besser planen. Leider nutzen bisher nur wenige Bauherren diese Möglichkeit, einen digitalen Zwilling der realen Immobilien zu bekommen.

Redaktion: Auffällig ist, dass Sie BIM als Building Information Management und nicht wie üblich als Modeling bezeichnen. Was genau steckt dahinter?

Zeynep Kaplan: Den Begriff haben wir 2018 gewählt, um zu verdeutlichen, dass es nicht nur um das virtuelle Gebäudedatenmodell und dessen 3D-Geometrie geht, sondern vor allem um das ganzheitliche Management von Informationen entlang des Produktlebenszyklus eines Bauwerks. Für das eigentliche Modeling sind die Planer zuständig, wir als Bauunternehmen legen unseren Fokus darauf, dass wir so effizient wie möglich durchgängig BIM-basierte Bauprozesse erhalten. BIM bedeutet also ein besseres Informationsmanagement.

„BIM to Field“: Bauleiter können das virtuelle Modell auf dem Tablet bei sich tragen und alle Punkte in 3D mit den verschiedenen Gewerken besprechen. Quelle: Wolff & Müller
„BIM to Field“: Bauleiter können das virtuelle Modell auf dem Tablet bei sich tragen und alle Punkte in 3D mit den verschiedenen Gewerken besprechen. Quelle: Wolff & Müller


Redaktion: Wie genau funktioniert das Bauen mit BIM bei Ihnen in der Praxis?

Zeynep Kaplan: In der Praxis ist es sehr wichtig, dass wir als Bauunternehmen möglichst früh in das Projekt einbezogen werden und nicht erst, wenn die Ausführungsphase ansteht. Das ermöglicht uns, gemeinsam mit den Planern und den Kunden alle Projektphasen mit BIM gemeinsam zu gestalten und zu begleiten. Während der Projektentwicklung können wir zum Beispiel mehrere Entwurfsvarianten durchspielen und die Mengen und Kosten errechnen.

Während der Planung hilft die Kollisionsprüfung mit BIM, Überschneidungen der Gewerke zu vermeiden. Im weiteren Verlauf leiten wir die Materialmengen für die Ausschreibung und Vergabe aus dem Modell ab, erstellen Terminpläne, simulieren den Bauablauf und vergleichen laufend den Soll- und Ist-Zustand. Solche Anwendungsfälle haben wir für jede einzelne Planungs- und Bauphase definiert und sind derzeit dabei, weitere Anwendungsfälle zu entwickeln.

Redaktion: Noch hat sich BIM in der deutschen Baubranche nicht flächendeckend durchgesetzt. Woran liegt das und wie finden Sie Planungs- und Ausführungspartner für Ihre Projekte?

Zeynep Kaplan: Die Planungsbüros und Bauunternehmen, die derzeit das digitale Planen und Bauen vorantreiben, müssen noch einige Hürden überwinden. Zum Beispiel gibt es noch keine gesetzlichen BIM-Normen für Deutschland. Hinzu kommt die Schnittstellenproblematik bei Open-BIM-Projekten, das heißt wenn die Beteiligten mit unterschiedlicher Software arbeiten. Der Datenaustausch funktioniert noch nicht auf Knopfdruck.

Wir haben im Laufe der Jahre einen Pool von BIM-erfahrenen Planern aufgebaut, mit denen wir schon viele Projekte realisiert haben und entsprechend gut eingespielt sind, das macht die Zusammenarbeit einfacher. Unser Ziel ist es auch, die Modelle mit unseren ausführenden Baupartnern auszutauschen. Voraussetzung ist hier, dass die Baupartner ihre entsprechenden Prozesse bereits digitalisiert haben.

Wird BIM mit Virtual Reality verknüpft, kann der Bauherr sein Gebäude virtuell begehen und letzte Details mit den beteiligten Unternehmen klären. Bei diesem Projekt für die SOFiSTiK AG wurde beispielsweise die Haustechnik geprüft. Quelle: WOLFF & MÜLLER
Wird BIM mit Virtual Reality verknüpft, kann der Bauherr sein Gebäude virtuell begehen und letzte Details mit den beteiligten Unternehmen klären. Bei diesem Projekt für die SOFiSTiK AG wurde beispielsweise die Haustechnik geprüft. Quelle: WOLFF & MÜLLER


Redaktion: Was raten Sie anderen Unternehmen, die ihren Planungs- und Bauprozess digitalisieren möchten?

Zeynep Kaplan: Ich plädiere für Mut statt Gemütlichkeit: Es gibt keine Alternative zu BIM, entsprechend sollte man die Weichen nicht zu spät stellen. Wichtig ist zu verstehen, dass BIM kein Software-Thema ist, sondern eine Arbeitsmethode. Die Software ist schnell angeschafft, viel aufwändiger ist es, die vier weiteren Säulen aufzubauen: Mensch, Daten, Prozesse und Richtlinien.

Menschen müssen Knowhow aufbauen, Daten müssen beschafft und im Modell hinterlegt werden, Prozesse gilt es zunächst analog zu erfassen und zu optimieren, bevor man sie digitalisiert. All das erfordert eine gründliche Vorbereitung, am besten auf Grundlage einer klaren Digitalisierungsstrategie, und ist ein Changeprozess, hinter dem das Management mit aller Kraft stehen muss. Hinzu kommt, dass BIM zwar ein wesentliches, aber nicht das einzige Werkzeug der Digitalisierung ist, es gibt andere, unterstützende Technologien wie Virtual Reality, vernetzte Baumaschinen oder die Drohnenvermessung. Digitalisierung ist also ein komplexes Thema.

Redaktion: Vielen Dank für das Interview, Frau Kaplan.


zeynep kaplan bim managerin

Zur Person
Zeynep Kaplan ist BIM-Managerin bei der Wolff & Müller Holding in Stuttgart. Sie hat an der Universität Stuttgart Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Konstruktiver Ingenieurbau studiert und ist Master of Science. Mit ihren Kollegen aus dem BIM-Team schafft Kaplan die Grundlagen dafür, dass die Methode in der gesamten Unternehmensgruppe mit ihren bundesweiten Niederlassungen zum Einsatz kommen kann.


Über WOLFF & MÜLLER
WOLFF & MÜLLER wurde 1936 gegründet und ist heute eines der führenden Bauunternehmen Deutschlands in privater Hand. Das mittelständische Familienunternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart ist überall dort vertreten, wo effektive, partnerschaftliche und innovative Lösungen gefordert sind: im Hoch- und Industriebau, Ingenieurbau, Stahlbau, bei der Bauwerkssanierung, im Tief- und Straßenbau sowie im Spezialtiefbau. Neben Bauleistungen bietet die WOLFF & MÜLLER-Gruppe auch Bau- und Rohstoffe sowie baunahe Dienstleistungen an. Sie beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter an 27 Standorten im Bundesgebiet und erwirtschaftete 2018 einen Jahresumsatz von rund 950 Millionen Euro.

Mehr Informationen auf der Internetseite www.wolff-mueller.de


Mit der Showcase Factory wurde ein wirksames bauliches Zeichen nach innen wie auch nach außen gesetzt. Fotograf Olaf Mahlstedt

Projekte (d)

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