Stehen Sanierungsmaßnahmen an einem Gebäude an, entsteht beim Bauherren oftmals die Angst vor Schimmelpilzwachstum. Natürlich wirken sich bauliche Veränderungen auf die hygienischen Verhältnisse in einem Gebäude aus, weshalb schon bei der Planung neben der Wirtschaftlichkeit auch die Auswirkungen auf das feuchtetechnische Verhalten betrachtet werden sollten. Schimmelpilzwachstum in Wohn-oder Büroräumen stellt ein hygienisches sowie potentiell gesundheitsgefährdendes Problem dar und muss daher vermieden werden. Die vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP entwickelte Software zur hygrothermischen Gebäudesimulation »WUFI Plus« ermöglicht es, bereits in der Planungsphase das Risiko von Schimmelpilzwachstum abzuschätzen. Im folgenden Beispiel wird der Einfluss von Sanierungsmaßnahmen auf die Hygiene am Beispiel einer fiktiven 3-Zimmer-Etagenwohnung in einem Mehrfamilienhaus nahe München untersucht.
Die Wohnung wird raumweise betrachtet. Abhängig von sämtlichen Wärme-, Feuchte-, und Luftströmungen wird das Innenraumklima stündlich für jedes Zimmer berechnet. Eine Familie mit Kind bringt gemäß einer klassischen Gebäudenutzung mit typischen Anwesenheitszeiten und üblichem Lüftungsverhalten (Stoßlüftung morgens und abends) Wärme und Feuchte in die unterschiedlichen Räume ein. Exemplarisch sind diese Wärme- und Feuchtequellen im Schlafzimmer und im Kinderzimmer in Abbildung 2 im Tagesverlauf dargestellt. Die Mindest-Solltemperatur, welche durch die Regelung der Heizung sichergestellt wird, ist in allen Räumen auf 20 ° C eingestellt, ausgenommen im Elternschlafzimmer. Dort soll das Thermostat am Heizkörper lediglich vor Frost schützen. Für den Standort München werden historische gemessene, stündliche Klimadaten (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit und –richtung) als Randbedingung außen herangezogen. Die Randbedingungen innen werden durch die Software berechnet.
Es werden die im Folgenden beschriebenen Fallbeispiele mit den jeweils angesetzten Gebäudekennwerten betrachtet und untersucht ob im unbeheizten Schlafzimmer, oder im beheizten Kinderzimmer mit Schimmelpilzwachstum zu rechnen ist.
- Unsanierte Wohnung
In einem ersten Fall wird die unsanierte Wohnung als Referenz zur Beurteilung der weiteren Sanierungsmaßnahmen untersucht. Die Außenwand besteht aus verputztem Mauerwerk. Die hohe Fugen-Luftdurchlässigkeit entspricht üblichen Werten für ältere Fenster mit Doppelscheibenverglasung.
Außenwand (Abbildung 3) |
U = 1,53 W/m²K |
Fenster |
Uw = 2,7 W/m²K |
Luftdichtheit |
n50 = 6,5 1/h |
- Neue Fenster
Im ersten Sanierungsbeispiel werden die Fenster ausgetauscht. Durch den fachgerechten Einbau werden die Fugen zwischen Fensterrahmen und Maueröffnung besser abgedichtet und somit die Luftdichtheit deutlich erhöht.
Außenwand (Abbildung 3) |
U = 1,53 W/m²K. |
Fenster |
Uw = 1,3 W/m²K |
Luftdichtheit |
n50 = 1,5 l/h |
- Neue Fenster und Dämmung der Außenwand
Im zweiten Sanierungsbeispiel werden zu den neuen Fenstern noch 14cm Wärmedämmung (WDVS) auf der Außenwand angebracht.
Außenwand (Abbildung 4) |
U = 0,25 W/m²K. |
Fenster |
Uw = 1,3 W/m²K |
Luftdichtheit |
n50 = 1,5 l/h |
Auswertung:
Tabelle 1: Resultierende mittlere Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit in den Wintermonaten
Sanierungsgrad |
Heizwärmebedarf in kWh/m²Jahr |
Raum |
Mittlere Lufttemperatur (Winter) in °C |
Mittlere Luftfeuchtigkeit (Winter) in % |
Unsaniert |
193 |
Elternschlafzimmer |
15 |
44 |
Kinderzimmer |
20 |
32 |
||
Neue Fenster |
146 |
Elternschlafzimmer |
15 |
57 |
Kinderzimmer |
20 |
46 |
||
Neue Fenster und Dämmung |
41 |
Elternschlafzimmer |
19 |
46 |
Kinderzimmer |
20 |
45 |
Schimmelpilzwachstum hängt in erster Linie von drei Faktoren ab: Temperatur, Feuchte und Substrat. Für »WUFI Plus« steht das Add-on »WUFI Bio« zur Verfügung, welches das Risiko anhand der gegebenen, hygrothermischen Verhältnisse berechnet und mit Hilfe einer Ampel bewertet: bei »grün« ist das Risiko sehr gering, »gelb« bedeutet ein erhöhtes Risiko, das heißt Schimmelpilzwachstum kann nicht ausgeschlossen werden, und bei »rot« muss mit Schimmelpilzwachstum gerechnet werden.
Temperatur und Feuchte sind jedoch nicht an jeder Stelle der raumumschließenden Flächen gleich. Auf Grund dessen wurde die Wachstumswahrscheinlichkeit an jeweils drei Stellen im unbeheizten Schlafzimmer, sowie im beheizten Kinderzimmer gesondert betrachtet: eine freie Wandoberfläche, eine voraussichtlich kritischere Stelle an der Außenwand-Zimmerecke und hinter einem direkt an der Außenwand stehenden Schrank.
In den Abbildungen 5 bis 7 sind die Ergebnisse der Untersuchung in den Wintermonaten dargestellt. Für die drei Stellen an der Wandoberfläche ist sowohl im Elternschlafzimmer (unbeheizt) als auch im Kinderzimmer (beheizt) neben dem Verlauf der relativen Feuchte weiterführend die Ampel aus »WUFI Bio« mit möglicher Wachstumsrate von Schimmelpilz abgebildet.
Schlussfolgerung
Unsaniertes Gebäude:
Im unsanierten Gebäude treten keine Probleme an der normalen Wandoberfläche auf. Die Bedingungen verschlechtern sich allerdings an Wärmebrücken wie der Außenwandecke oder wenn ein Schrank an der Außenwand steht. Für diesen Fall ist im unbeheizten Elternschlafzimmer mit Schimmelpilzwachstum zu rechnen.
Neue Fenster:
Werden nun bei einer Sanierung ausschließlich die Fenster ausgetauscht und wird dadurch die Luftdichtheit der Gebäudehülle erhöht, aber das Lüftungsverhalten nicht angepasst, steigt die Feuchte im Raum deutlich an. Dies führt schon am regulären Wandquerschnitt zu kritischen Bedingungen. In Raumecken sowie hinter einem Schrank ist von einem Schimmelpilzwachstum auszugehen.
Neue Fenster und Dämmung der Außenwand:
Erst im komplett sanierten Fall, bei dem die Innenwandoberflächen wärmer gehalten werden, kommen keine kritischen relativen Feuchten mehr vor, die das Wachstum begünstigen würden. Zudem erhöhen sich die Temperaturen im unbeheizten Schlafzimmer, da jetzt die Wärmeleitung durch die Zwischenwände die Transmissionswärmeverluste durch die Außenwand deutlich übersteigt. Dies führt zusätzlich zu niedrigen und somit unkritischen Feuchtebedingungen an den Wandoberflächen.
Fazit
Durch die dynamische hygrothermische Gebäudesimulation mit »WUFI Plus« lassen sich schon vor der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen deren Auswirkungen auf den Energiebedarf und die hygienischen Bedingungen im Innenraum abschätzen. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf die exemplarisch beschriebene Wohnung im Mehrfamilienhaus und sollen in erster Linie Möglichkeiten von hygrothermischer Gebäudesimulation darstellen. Die Ergebnisse sind nicht allgemein gültig.
Die Software
»WUFI Plus« ist ein umfassendes Werkzeug zur integralen Beurteilung des hygrothermischen, d.h. des wärme- und feuchtetechnischen Gebäudeverhaltens. Die Software erlaubt die Beurteilung des Wärme- und Kühlbedarfs, des Raumklimas und des Komforts, der Luftqualität sowie des eindimensionalen hygrothermischen Verhaltens von Bauteilen unter berechneten Raumklimabedingungen. Eine einfach bedienbare grafische Nutzeroberfläche, diverse Datenbanken und Schnittstellen, sowie eine umfangreiche Ergebnisausgabe unterstützen den Nutzer bei der Projektbearbeitung und schnellen Durchführung der Berechnungen.
Weitere Informationen zur Software finden Sie unter wufi.de/de/software/wufi-plus/
Vita der Autoren
Matthias Pazold, M.Eng.
Gruppe Hygrothermische Gebäudeanalyse
Abteilung Hygrothermik
Fraunhofer-Institut für Bauphysik
Fraunhoferstr. 10, 83626 Valley
Studium des Bauingenieurwesens (Bachelor) an der Hochschule Magdeburg-Stendal (2009) und des allgemeinen Ingenieurbaus (Master) an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München (2011). Seit 2011 tätig in der Arbeitsgruppe »Hygrothermische Gebäudeanalyse« am Fraunhofer IBP in Holzkirchen.
Sabine Lamprecht, B. Eng.
Abteilung Hygrothermik
Fraunhofer-Institut für Bauphysik
Fraunhoferstr. 10, 83626 Valley
Studium des Innenausbaus an der Fachhochschule Rosenheim (2014). Erfahrungen in der Baupraxis als ausgebildeter Tischlerin. Seit 2014 tätig in der Abteilung »Hygrothermik« am Fraunhofer IBP in Holzkirchen.