Wo früher riesige Pumpen unter Hochdruck Elbwasser beförderten, streicht heute der Morgenkaffee durch hohe Galeriefenster. Am Hamburger Elbufer, in Sichtweite der Hafenkräne und Containerriesen, ist ein außergewöhnliches Wohnquartier entstanden – ausgerechnet in den alten Hallen eines längst stillgelegten Pumpwerks. Was nach einem Paradox klingt, haben die Architekten von BiwerMau mit feinem Gespür und einem sicheren Gespür für Geschichte zu einem der spannendsten Umbauprojekte der Stadt gemacht.

Bildurheber: Hager Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG/Jochen Stüber
Ein Ensemble aus sieben Wohnungen – keine wie die andere – liegt heute dort, wo einst Maschinen wummerten und Speicherhallen brummten. Die Transformation wurde 2022 mit dem BDA-Preis Hamburg gekrönt, begleitet von Lob für die "flüssige Weitererzählung" der Baugeschichte. Ein Denkmal, das lebt – und wohnt.

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Wohnen im Maschinenraum
Was sich wie ein kunstvoller Widerspruch liest, entfaltet in der Realität einen ganz eigenen Reiz. Die Architekten arbeiteten mit dem Bestand, nicht gegen ihn. Wo die Raumhöhe es zuließ – und das tat sie oft – entstanden kubisch verschachtelte Wohnwelten, in denen Loftcharakter und intime Rückzugsorte koexistieren. 7-Meter-Hallenhöhen wechseln sich ab mit 2,50-Meter-Galeriegeschossen, ohne dass die Räume an Spannung oder Stimmigkeit verlieren.
Es ist diese Ambivalenz aus Industriecharme und Wohnkomfort, die das Projekt so besonders macht. Der Geist des Gebäudes blieb spürbar, aber er wurde nicht museal konserviert, sondern weitergebaut – mit Beton, Holz, Schiefer und Backstein. Viel mehr braucht es nicht, wenn der Raum selbst erzählt.

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Respekt vor dem Bestand – bis in die Steckdose
Was BiwerMau gelingt, ist mehr als nur gestalterisches Feingefühl. Es ist eine Haltung. Der Projektleiter Thomas Mau spricht vom "subtilen Einfügen" – und genau das ist hier Programm. Die Ziegelwände wurden nur grob gereinigt, Stahlträger und Holzdecken liebevoll ertüchtigt. Selbst die Elektroleitungen wurden in mühsamer Handarbeit in die Mauerfugen eingepasst – anstatt einfach neue Wände davorzuziehen.
Dass dabei die Schalterserie Berker 1930 zum Einsatz kam, teils in Ausführung mit echtem Rosenthal-Porzellan, klingt zunächst wie eine Randnotiz. Tatsächlich steht sie sinnbildlich für das gesamte Projekt: alt und neu, nebeneinander, auf Augenhöhe.

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Architektur zwischen Behutsamkeit und Selbstbewusstsein
Ein weiteres Markenzeichen dieses Umbaus ist seine materialische Zurückhaltung. Statt modischer Effekte oder auftrumpfender Kontraste dominieren natürliche Werkstoffe mit Patina: rohe Ziegel, geöltes Holz, Sichtbeton. Der Mix ist reduziert, aber keineswegs kühl – er holt die Wucht der alten Industriearchitektur ins Heute, ohne sie zu banalisieren.
Das gefiel auch der Jury des Bundes Deutscher Architekten, die besonders die "Rauheit im Innenausbau" hervorhob. Und in der Tat: Wo mancher Altbau glattgebügelt wird, bleibt hier die Geschichte an den Fingern kleben. Die Waterworks – wie das Projekt heute heißt – sind ein gebautes Plädoyer gegen das Vergessen durch Verputzen.

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Denkmalpflege als Dialog
Natürlich ist eine solche Umnutzung kein Spaziergang. Brandschutz, Hochwasserschutz, Denkmalschutz – all das musste bedacht, verhandelt, integriert werden. Und dennoch wirkt das Ergebnis nicht wie ein Kompromiss, sondern wie ein Gespräch auf Augenhöhe zwischen Alt und Neu. Mau formulierte es einmal so: "Man muss dem Bestand zuhören." In Falkenstein hat man das offensichtlich getan.
Dass ein derart sensibles Projekt nicht nur baulich, sondern auch wirtschaftlich funktioniert, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines Teams, das seine Disziplinen übergreifend denkt – von der Tragwerksplanung bis zur Innengestaltung. Und von einer Haltung, die das Bauen im Bestand nicht als Einschränkung, sondern als Chance begreift.

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Ein Impuls für die Stadt
Was bleibt? Sicherlich ein architektonisches Ausrufezeichen, aber auch ein Signal an die Stadtentwicklung: Abriss ist nicht alternativlos. Selbst vermeintlich nutzlose Relikte der Industriegeschichte können eine zweite, ja vielleicht ihre beste Bestimmung finden – wenn man sie lässt. Das alte Pumpwerk am Elbufer steht nun nicht mehr nur für Technikgeschichte, sondern auch für eine neue Form des Wohnens: respektvoll, reduziert, radikal anders.
Bauherr: Waterworks Falkenstein GbR
Architekt: BIWERMAU Architekten BDA, Hamburg
Grundstück: ca. 5.820 m²
Bruttogeschossfläche: ca. 3.270 m²