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Di, Apr

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Corbusier-Farben im Hamburger Hotel Wedina

Hochbau

Die Schriftsteller Martin Walser und Henning Mankell gehören zu den prominentesten Gästen des Hotels Wedina. Das Haus im Hamburger Stadtteil St. Georg, nur wenige Schritte von der Alster entfernt, ist kein anonymer Betrieb einer internationalen Kette, sondern strahlt ein hohes Maß an Individualität aus. Beispielsweise können die Gäste in einer hoteleigenen Bibliothek stöbern, in der sich 300 persönlich gewidmete Bände zeitgenössischer Autoren finden. Zudem verteilt sich das Hotel auf mehrere Gebäude, teils Alt-, teils Neubauten, sodass kaum ein Zimmer dem anderen gleicht.

Als nun eine grundlegende Sanierung des Haupthauses anstand, galt es, das Flair des Eigenwilligen fortzuschreiben und zu betonen. Architekt Dirk Michel setzte dabei auf das Thema Farbe. Das beginnt schon bei der Fassade, die sich jetzt vollflächig in zwei leuchtenden Rottönen präsentiert und wie ein Ausrufezeichen in der Straße wirkt. Trotz dieser auffälligen Gestaltung fügt sich das Gebäude besser in seine Umgebung ein als vor dem Umbau. Denn ursprünglich hatten dort alle Häuser die gleiche Breite und verfügten über je drei Fensterachsen. Für das Hotel waren jedoch irgendwann zwei Bauwerke zusammengelegt worden und man hatte ihre Fassaden vereinheitlicht, sodass der Parzellenrhythmus der Straße gestört war. Auf Wunsch des Denkmalamts wurden nun im Zuge der Modernisierung die beiden Einzelhäuser wieder stärker ablesbar gemacht. Nach dem Aufbringen eines Wärmedämmverbundsystems erhielten sie unterschiedliche Farben. Um dennoch eine gewisse Zusammengehörigkeit anzuzeigen, ähneln sich die beiden Farbtöne – zwei Nuancen von Rot – und die Faschen des einen Hauses sind jeweils im Rotton des anderen Hauses gestrichen.

Damit sich die beiden Töne nicht beißen, griff Dirk Michel auf die »polychromie architecturale« zurück, Le Corbusiers System aus 63 Farben, die sich beliebig miteinander kombinieren lassen, ohne dass jemals ein Missklang entsteht. Das höhere der beiden Häuser bekam den Ton 4320A, ein feuriges Zinnoberrot, während das andere in 32090 gestrichen wurde, einem etwas dunkleren, tieferen Rot. Einziger Hersteller der Corbusier-Farben ist inzwischen das Unternehmen KEIM. Seit Kurzem liefert es die Kollektion unter dem Namen »polyChro extérieur« als Fassadenfarbe in mineralischer Qualität, was gerade bei hochgesättigten Tönen wie beim Hotel Wedina von Vorteil ist: Wegen des transparenten Bindemittels Wasserglas treffen Lichtstrahlen ungehindert auf die Pigmente und es entsteht ein besonders intensiver Farbeindruck, wie er mit Dispersionsfarben wegen deren milchigem Bindemittel nicht möglich ist. Durch den Einsatz anorganischer Pigmente sind die Mineralfarben von KEIM zudem außerordentlich lichtecht und verblassen nicht. Damit wird der neuen Hotelfront erspart bleiben, was ihre Vorgängerin erleben musste: Deren Rot wirkte zuletzt stark verwaschen.

Der Architekt nutzte die Sanierung auch, um der Fassade eine stärkere Plastizität zu geben. Die Faschen stehen ein paar Zentimeter aus der Wandebene heraus und die Fenster werden von einer umlaufenden anthrazitfarbenen Holzwerkstoffzarge eingefasst, die ein weiteres Stück vorspringt. Dadurch gewinnen die Fenster an Tiefe und auf der Fassade entsteht insgesamt ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten, das mit den detailreichen, stärker reliefierten Altbauten der Umgebung korrespondiert.

Vom unmittelbaren Nachbarhaus greift die Hotelfront das Motiv des Gesimses über dem Parterre auf, interpretiert es aber neu und bildet ganz einfach zwei horizontale Putzfugen aus. Sie setzen das Eingangsgeschoss von den oberen Stockwerken ab und machen damit seine Sonderstellung deutlich, wie es bei den städtischen Gründerzeitfassaden im Viertel üblich ist.

Auch das Innere des Gebäudes hat sich stark verändert. Es gibt nun größere Hotelzimmer, dafür sind es insgesamt ein paar weniger. Jedes ist wegen des verwinkelten Altbaus ein bisschen anders: Mal führen hinter der Tür einige Stufen hinab in den Raum, mal bildet ein erhöhtes Podest vor dem Fenster eine Leseecke mit Sessel, mal blickt der Gast durch offenes Gebälk unter das schräge Dach. Dirk Michel hat diese Vielfalt noch zusätzlich hervorgehoben, indem er jedem Zimmer eine andere Farbe gab. Auch hierfür bedienter er sich der Palette Le Corbusiers, allerdings kamen die mineralischen Innenraumfarben »polyChro intérieur« von KEIM zum Einsatz. Nachdem die Wände verputzt, glatt gespachtelt und geschliffen waren, erhielten sie ihren Anstrich. Auf der Beletage und in den Zimmern, die bis unters Dach reichen, also in den Räumen mit großzügiger Höhe, finden sich dunklere Töne, während die kleineren Zimmer mit helleren Farben gestaltet sind. Michel gab dabei stets den satten, kraftvollen Tönen wie einem Rubinrot oder einem Sonnenblumengelb den Vorzug. Nur wenige Zimmer sind in den zarteren Nuancen wie einem beigegrauen Umbra gehalten, die Le Corbusier ebenfalls in sein System aufgenommen hatte.

Weil die jeweilige Farbe nicht nur alle Wände, sondern auch die Heizkörperbekleidungen bedeckt, prägt sie den Raumeindruck maßgeblich, zumal die Wände von einer indirekten Beleuchtung effektvoll in Streiflicht getaucht werden. Das restliche Interieur zeichnet sich durch äußerste formale Zurückhaltung aus. Die Möblierung lässt in ihrer gestalterischen Reduktion Puristenherzen höher schlagen und fast alle Oberflächen im Raum bestehen aus nur einem Material: Eichenholz. Es wurde für Bodendielen, Türen, Einbauschränke, Betten, Treppenstufen, Fensterrahmen und die Faltläden verwendet, die anstelle von Vorhängen für Sichtschutz an den Fenstern sorgen.

Die farbenfrohe Gestaltung der Zimmer kommt auch dadurch zur Geltung, dass die Erschließungszonen in einem neutralen Grau gehalten sind. Lediglich das Treppenhaus bildet eine Ausnahme; bei den Zimmertüren, die direkt von dort zugänglich sind, findet sich zwischen Rahmen und Wandfläche eine extrabreite Fuge, die in der Farbe des dahinterliegenden Zimmers gestrichen ist – quasi als kleiner Vorgeschmack.

Und wie kommen die Farben bei den Gästen an? Erste Reaktionen zeigen, dass vor allem die kräftigen Töne beliebt sind. Anscheinend sind Menschen auf Reisen offener für Interieurs mit starker Farbsättigung, empfinden diese vielleicht als besonderes Erlebnis, während sie zu Hause meist deutlich dezentere Farben bevorzugen. Architekt Michel hat daraus seine Schlüsse gezogen: Wenn in ein paar Jahren der turnusgemäße Neuanstrich der Zimmer ansteht, werden die wenigen pastelligen Töne wohl den leuchtenden Farben aus Le Corbusiers Palette weichen.

Projekt: Hotel Wedina, www.hotelwedina.de

Architektur: Dirk Michel Architekt BDA, www.architektur-michel.de

Farbe: polyChro von KEIMFARBEN, www.polycchro.de


Der Anspruch einer ökologisch sensiblen Außenbeleuchtung setzte sich bei der Illuminierung des Magazinbaus mit seiner Fassade aus gefalteter Bronze fort. Zur strikten Vermeidung von Skyglow wurde in akribischer Abstimmung mit den Beteiligten und mittels nächtlicher Bemusterungen eine Streiflichtlösung mit Linealuce-Bodeneinbauleuchten erarbeitet. Foto: HG Esch

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