Das Grundstück einer aufgelassenen Gärtnerei inmmitten eines Wohngebiets auf einer Anhöhe oberhalb der Altstadt von Bad Saulgau bot sich als Standort für Wohnungsbau an. Für klassische Wohntypologien wie etwa eine Reihenhausgruppe erwies sich der Ort als ungeeignet. Der nicht gerade übliche Ansatz, mit einem einzigen Baukörper Etagenwohnungen auf einem sternförmigen Grundriss zu errichten, stellte sich auf städtebaulicher Ebene als zielführend heraus.
Die Wohnungen sind um eine zentrale Halle mit Wendeltreppe, Aufzug und Oberlicht herum gelagert. Auf drei Geschossen entwickeln sich 17 der 19 Apartments wie Kuchenstücke von einer schmalen Eingangsseite aus zur breiten Fassadenseite hin. Den zentralen Raum der Wohnungen bildet jeweils ein großer zusammenhängender Wohn-Essbereich mit direktem, barrierefreiem Zugang zu einer Loggia in einer der Außenecken des Gebäudes oder im EG zu einer Terrasse.
Der sternförmige Grundriss, der sich wie eine Blüte nach allen Seiten öffnet, ermöglicht allen Bewohnern ungestörten Aufenthalt in ihrem privaten Freibereich und erschließt unterschiedliche Aspekte der vom Grundstück aus gegebenen Ausblicke. Großflächige, bisweilen raumhohe Verglasungen unterstreichen den großzügigen und heiteren Eindruck der hellen Innenräume, der sich bis in die Freisitze hinaus fortsetzt. Weiße Sonnenschutzvorhänge führen dort den wohnlichen Charakter ins Freie hinaus und vermitteln ein Gefühl luftiger Leichtigkeit.
Das Staffelgeschoss nimmt zwei weitere Wohneinheiten mit barrierefrei zugänglichen, großzügig dimensionierten Dachgärten zwischen extensiv begrünten Flächen auf. Die nahezu identischen Grundrisse in den Regelgeschossen sind so konzipiert, dass bei Bedarf ein Raum von einer Dreizimmerwohnung abgekoppelt und der Nachbarwohnung zugeschlagen werden kann und somit je eine Zwei- und eine Vierzimmerwohnung entstehen.
Der massiven Konstruktion aus Stahlbeton und Hochlochziegeln mit integrierter Perlitdämmung ist eine in zart lindgrünem Ton gehaltene Sichtschale aus Holzschindeln vorgehängt. Die Elementschindeln mit Rundkante (60x160 mm) wurden in der Region vorgefertigt und nehmen Bezug auf einen extrem traditionsreichen Baustoff der Region: Beim Nachbarort Bad Buchau wurden 6000 Jahre alte Reste von Buchenschindeln gefunden.
Bei der Auswahl der Materialien ging es darum, deren Eigenschaften in Bezug auf Dauerhaftigkeit, Temperaturträgheit, aber auch Wohngesundheit zu nutzen und den Einsatz von Kunststoffen und schwer reversiblen Fügungen im Ausbau weitgehend zu vermeiden. Zu den erfahrungsgemäß gut alternden Materialien, die für das Projekt ausgewählt wurden, zählen neben Naturstein (Solnhofer Platten) und Holzparkett für die Böden auch sauber geschalter Sichtbeton, Pflastersteine und dazu im Kontrast weiß gestrichene Stahlelemente.
Die Außenanlagen sind großzügig gestaltet und lassen die zuvor an dieser Stelle betriebene Gärtnerei anklingen – ebenso wie die Gummibäume im Treppenauge, die auf ein ehemaliges Prunkstück des Familienbtriebs verweisen. Organisch geschwungene Mauern aus Weißbeton trennen öffentliche und private Bereiche voneinander ab und leiten wie selbstverständlich zum Eingang hin – als spielerisches Element, ähnlich den Verzierungen einer Sahnetorte, geben sie dem Außenraum ein freudvolles Gepräge. In der Materialqualität spiegelt sich die Betonbau-Expertise des Bauherrn wider, der auch als Bauunternehmer fungierte. Die im selben Farbton und mit höchster Präzision hergestellten Sichtbetonfertigteile im Treppenhaus zelebrieren mit geichmäßigen Fugen zwischen Stützen und Balken das Prinzip von Tragen und Lasten – Assoziationen an den Steinkreis von Stonehenge liegen nicht fern.
Die Wärmeversorgung erfolgt über Erdsonden, eine Sole-Wasser-Wärmepumpe und die Fußbodenheizung mit Einzelraumregelung. Im Sommer lässt sich das Heizungsnetz zentral in den Kühlmodus umschalten. Jedes Apartment verfügt über eine wohnungszentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Der Sonnenschutz wird elektronisch betätigt. Der Energie-Standard KfW Effizienzhaus 55 wurde bestätigt. Niederschlagswasser kann über eine Kiesrigole auf dem eigenen Grundstück versickern.
Galeriegebäude
Ein weiterer, schmaler Baukörper lehnt sich an den angrenzenden Hang an; er bildet eine Abtrennung zum erhöht gelegenen privaten Anwesen des Bauherrn und wird als „Schaulager“ genutzt.
Die Längsseite wird von einem Oberlicht begleitet, das den Innennraum indirekt mit Tageslicht versorgt. Ein separater, über ein Shed belichteter hoher Raum an der Schmalseite übernimmt die Funktion der vertikalen Erschließung. In die Wand sind zu Leuchten umfunktionierte Tontöpfe eingelassen.
Darunter bietet das aufgeständerte Gebäude überdachte Flächen für die Stellplätze des neuen Wohnhauses. Die Fassaden zeigen eine naturbelassene Boden-Deckel-Schalung aus Lärchenholz und kontrastieren mit Deckleisten und Wasserspeiern aus Kupfer.
Projektbeteiligte
Bauherr: Gänsbühl GbR, 88348 Bad Saulgau
Generalübernehmer: Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau
Projektleitung: Jochen Löw
Bauleitung: Julia Bischoff
Architekten: LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co. KG, Stuttgart
Mitarbeiter LRO: Katja Pütter, Ingmar Amon
Tragwerksplanung: Hangleiter Baustatik, Bad Saulgau
Prüfstatik: Dipl-.Ing. Peter Bock, Reichenau
Haustechnik, Elektroplanung: Ingenieurbüro Sulzer GmbH & Co. KG, Vogt
Bauphysik: Herz & Lang GmbH, Weitnau
Freianlagenplanung: LRO in Zusammenarbeit mit Kovacic Ingenieure, Sigmaringen
Brandschutzgutachter: Manfred Oelmaier Ingenieurbüro für Brandschutz, Biberach/Riss
Vermessungstechnik: Vermessungsbüro Fuchshuber & Baumgartner, Altshausen
SiGeKo: Hoyer GmbH, Kempten
Fotos: Roland Halbe, Stuttgart
Planungsbeginn: 07/2018
Baubeginn: 11/2021
Fertigstellung/Übergabe: 07/2023
Bezug: Herbst 2023
BGF: 2.640 qm (2.240 qm Regel-, 400 qm Sonderfall)
NGF: 2.508 qm
BRI: 7.090 cbm
Freiflächen: 2.800 qm
Grundstücksgröße: 3.911 qm
Standort: Lindenstraße 21, 88348 Bad Saulgau