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Sa, Okt

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UmweltHaus: Holzhybridhochhaus in Nürnberg setzt Zeichen für Nachhaltigkeit

Menschen

Im Rahmen eines umfangreichen Bauvorhabens entsteht in Nürnberg das UmweltQuartier, inklusive des UmweltHauses, dem neuen Sitz der UmweltBank, das nach nachhaltigen und ökologischen Gesichtspunkten unter der Leitung des Architekturbüros Spengler Wiescholek entwickelt wird. Architektin Ingrid Spengler spricht über die Besonderheiten und Herausforderungen beim Bau des neuen Firmensitzes der UmweltBank in Nürnberg.

Vorderansicht (Blick auf den Eingangsbereich an der Ecke Nordwestring/Bielefeder Straße). Bildquelle: spengler wiescholek Architektur//Stadtplanung | bloomimages
Vorderansicht (Blick auf den Eingangsbereich an der Ecke Nordwestring/Bielefeder Straße). Bildquelle: spengler wiescholek Architektur//Stadtplanung | bloomimages


In Nürnberg entsteht ein neues ökologisches Stadtquartier. Direkt am vielbefahrenen Nordwestring, auf einem zuvor fast vollständig versiegelten Firmengelände, sollen sich bald großzügige Freiflächen mit viel Grün zu den benachbarten Wohnvierteln öffnen. Seit Anfang 2022 ist der erste Projektabschnitt für das neue UmweltQuartier im Bau: Hier errichtet die UmweltBank ihren neuen Firmensitz als Holzhybridhochhaus mit 13 Vollgeschossen. Im UmweltHaus sollen zukünftig alle Mitarbeitenden des kontinuierlich wachsenden Unternehmens eine gemeinsame Heimat finden. Ein sektorenübergreifendes Energiekonzept und Klimafreundlichkeit in Planung, Bau- und Bestandsphase bilden das Fundament des Projekts. Bei einem europaweiten Architekturwettbewerb im Jahr 2020 erhielt das Hamburger Architekturbüro Spengler Wiescholek den Auftrag für die Planung und den Bau des UmweltHauses.

Architektin Ingrid Spengler spricht über die Besonderheiten und Herausforderungen beim Bau des neuen Firmensitzes der UmweltBank in Nürnberg. Bildquelle: spengler wiescholek Architektur
Architektin Ingrid Spengler spricht über die Besonderheiten und Herausforderungen beim Bau des neuen Firmensitzes der UmweltBank in Nürnberg. Bildquelle: spengler wiescholek Architektur

INTERVIEW

Redaktion: Frau Spengler, das UmweltHaus möchte ein besonders nachhaltiges Bauprojekt sein. Ergeben sich aus diesen Anforderungen an die Bauweise architektonische Besonderheiten?

Ingrid Spengler: Das Besondere und zugleich Herausfordernde ist, dass wir bei diesem Gebäude tatsächlich nachhaltig im Wortsinne bauen dürfen. Denn für die UmweltBank als Bauherrin ist das UmweltHaus nicht nur ein Bauprojekt, sondern zugleich ein Statement, das zeigen soll, wie sich Wirtschaftlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit miteinander vereinbaren lassen. Das bedeutet, dass unsere Bauherrin dem UmweltHaus nicht nur einen grünen Anstrich geben will, sondern beim Thema Nachhaltigkeit absolute Ehrlichkeit einfordert. Und das wiederum bedeutet, dass wir beim UmweltHaus nicht einfach „nach Norm“ bauen können. Natürlich bringt das einige architektonische Besonderheiten mit sich.

Das beginnt bei der grundsätzlichen Entscheidung für eine konsequente Holzhybridbauweise, geht bei der Auswahl der Baustoffe und Materialien weiter und endet noch lange nicht bei der Konzeption einer Sprinkleranlage für die spezifischen Brandschutzanforderungen des Gebäudes. Besonders ist vor allem auch die Fassade, die wir sehr bewusst nicht werbewirksam begrünen, sondern großflächig für die Energiezeugung mit Photovoltaik (PV) nutzen.

Grundsätzlich verwenden wir so wenig Beton und so viel Holz wie möglich und verzichten auf Verbundmaterialien. Stattdessen kommen kreislauffähige Materialien und regionale Rohstoffe zum Einsatz. Als Architekt:innen stellt uns das wiederum vor die Herausforderung, die Reinheit der pur belassenen Materialien und das hohe Maß an Holzsichtigkeit in eine ansprechende Ästhetik zu überführen und die Nachhaltigkeit der Bauweise erlebbar zu machen.

Redaktion: Sie realisieren das UmweltHaus als „Holzhybridhochhaus“. Wie hoch kann denn der Holzanteil bei einem Hochhaus mit 13 Stockwerken überhaupt sein?

Ingrid Spengler: Der Holzanteil im UmweltHaus ist tatsächlich so hoch, wie es unter den geltenden Vorschriften irgendwie möglich ist. Allein im Tragwerk verbauen wir rund 760 Kubikmeter Buche. Die sonstigen Holzelemente bestehen zum größten Teil aus Fichte, hier kommen wir auf stolze 2.950 Kubikmeter. In Deutschland gibt es bislang kein reines Holzhochhaus, weil die aktuellen Vorgaben zu Brandschutz und Statik keinen vollständigen Holzbau erlauben. Brandwände und Treppenhäuser müssen wir nach wie vor in Betonbauweise realisieren. Außerdem brauchen wir Aufbeton für die Aussteifung der Holzkonstruktion in der Fläche. Hier reduzieren wir den Beton auf ein Minimum von ca. 12 cm. Zudem verwenden wir so weit wie möglich Recyclingbeton. Mit Blick auf die geltenden Vorschriften für Statik, Brandschutz und wasserdichte Bauteile sind das aktuell etwa 20 Prozent der Betonmasse.

Redaktion: Welchen Spielraum haben Sie dann ganz konkret, um Holz als vorrangigem Baustoff eine Bühne zu geben?

Ingrid Spengler: Vor allem haben wir den Spielraum, immer wieder individuelle Lösungen zu entwickeln. Schauen wir zum Beispiel noch einmal auf das Tragwerk: Beim UmweltHaus wollen wir den Holzanteil so hoch wie möglich halten und das Tragwerk regelrecht zelebrieren. Deshalb arbeiten wir mit Holzbalken aus nachhaltig zertifizierter Forstwirtschaft anstatt der klassischen Holzverbund-Decken. Weil wir das Holz nicht verkleiden, brauchen wir aber Sprinkleranlagen für den Brandschutz. Also haben wir in den überwiegenden Bereichen eine hocheffiziente Sprühnebelanlage geplant, die mit kleinen Tanks auf wenig Raum umgesetzt werden kann und so mit möglichst geringem Ressourceneinsatz auskommt. Diese Spielräume machen es möglich, konsequent die nachhaltigsten und geeignetsten Lösungen zu suchen und umzusetzen.

Und bei den Baustoffen geht es ja nicht nur um Holz. Daneben arbeiten wir mit regionalen Materialien, wie einem Steinfußboden aus dem lokalen Umfeld, und verzichten weitestgehend auf Verbundstoffe. Bei der Auswahl spielen die Kreislauffähigkeit und Schadstofffreiheit eine entscheidende Rolle. Wir haben es also mit sehr reinen Materialien zu tun, die nicht durch Beschichtungen verdeckt sind und dementsprechend auch ihre Bühne bekommen.

Redaktion: Was die Baustoffe angeht vermeiden Sie bislang den Begriff „Cradle2Cradle“ und sprechen stattdessen von „Kreislauffähigkeit“. Geht Ihr Anspruch an die ökologische Nachhaltigkeit der Baustoffe am Ende doch nicht ganz so weit?

Ingrid Spengler: Die „Kreislauffähigkeit“ ist nach unserer Wahrnehmung der eindeutigere Begriff, auch wenn beides das gleiche Phänomen meint. Nämlich, dass die Materialien nach ihrer Verwendung wieder dem Rohstoffkreislauf zugeführt und erneut verwendet werden können. In diesem Sinne wird beim UmweltHaus sehr streng nach „Cradle2Cradle“ gebaut. Zu diesem Zweck begleitet eigens der Baubiologe Harold Neubrand unsere Ausschreibungs- und Bauprozesse und nimmt alle Materialien genau unter die Lupe. Dabei orientieren wir uns an den sehr strengen Maßstäben für eine Platin-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Die entsprechende Vorzertifizierung hat das UmweltHaus bereits erhalten, sodass es den Platin-Standard nach aktuellem Stand auch erreichen wird. Darüber hinaus prüfen wir alle Materialien gemäß den höchsten Qualitätsstufen der Schadstofffreiheit nach der REACH- und der Biozid-Verordnung. Damit sorgen wir für eine gute Innenraumluftqualität und senken gleichzeitig das Sanierungsrisiko.

Auch am Bodenbelag des Gebäudes lässt sich gut darlegen, wie ernst die Bauherrin das Thema Kreislauffähigkeit nimmt: Hier verwenden wir Steckverbindungen anstatt der üblichen Klebeverbindungen, um im Falle eines Rückbaus die sortenreine Trennung der Bauteile zu erleichtern.

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Redaktion: Sie haben eingangs die Fassade erwähnt. Was macht diese nach Ihrer Einschätzung so besonders?

Ingrid Spengler: Die großflächige Fassaden-PV ist in Verbindung mit der konsequenten Holzbauweise nach meinem Kenntnisstand einzigartig. In Europa ist mir zumindest kein Hochhausprojekt bekannt, das beim Material und dem Nutzungskonzept ähnlich konsequent ist wie das UmweltHaus.

Bei der Planung des UmweltHauses begleitet uns von Beginn an der Suffizienzgedanke: Wir hinterfragen ständig, welche Dinge wir wirklich brauchen und wie wir Notwendiges gleichzeitig als Gestaltungselement einsetzen können. Die Holzfassade braucht in jedem Fall eine Verkleidung zum Schutz vor Witterung. Dabei ist es für den Witterungsschutz zunächst egal, ob man Blech oder Photovoltaik-Module verwendet. Mit neu entwickelten, farbigen PV-Paneelen konnten wir zwei zentrale Funktionen für das Gebäude vereinen: Energieerzeugung und Fassadenverkleidung. Hand in Hand mit diesen Funktionen werden die Jalousien für den Sonnenschutz automatisiert je nach Tages- und Jahreszeit gerade so gesteuert, dass sie die PV-Module nicht verschatten und gleichzeitig die Innenräume möglichst effektiv vor Sonneneinstrahlung und Erwärmung schützen. Bei den Jalousien haben wir uns bewusst für Edelstahl entschieden, weil auch dieses Material mit seiner Langlebigkeit und geringem Wartungsaufwand in Sachen Nachhaltigkeit punktet.

An der Fassade sind außerdem Wartungsgänge eingeplant, damit das UmweltHaus nicht nur im Bau, sondern auch im laufenden Betrieb nachhaltig ist. Wartungs- und Reinigungsarbeiten können einfacher, sicherer und mit geringerem Aufwand durchgeführt werden. Das zahlt zudem auf die ökonomische Nachhaltigkeit des gesamten Vorhabens ein, die ebenfalls ein wichtiges DGNB-Nachhaltigkeitskriterium ist – und natürlich auch zum Wesenskern der UmweltBank als Finanzinstitut und Bauherrin gehört.

Redaktion: Wenn wir schon beim Betrieb des Gebäudes sind: Neben der Bauausführung spielt auch der Energieverbrauch nach Fertigstellung eine wichtige Rolle für die Nachhaltigkeit von Bauvorhaben.

Ingrid Spengler: Das Ziel, ein klimafreundliches Quartier zu schaffen, zieht sich durch das ganze Projekt und ist ein Grundpfeiler des Bauvorhabens. In diesem Rahmen haben die Fachplaner der EGS-plan GmbH mit Hilfe von Simulationen ermittelt, inwieweit sich das Projekt über einen Bestandszeitraum von 50 Jahren auf den Treibhauseffekt auswirkt. Als Bewertungsgrundlage dient das „Treibhauspotential“ oder „CO2-Äquivalent“ für alle Gebäude. Dabei berücksichtigen wir nicht nur die CO2-Emissionen durch die Wärme- und Kälteversorgung, sondern ziehen eine erweiterte Nutzungsbilanz für das Gesamtquartier: Neben sämtlichen Stromanwendungen inklusive des Nutzerstroms in Wohnungen und Büros fließt auch die vorgelagerte Prozesskette mit den so genannten „grauen Emissionen“, etwa zur Herstellung aller Baumaterialien, in die Bewertung der Klimafreundlichkeit mit ein. Innerhalb dieses Bilanzrahmens wollen wir einen Zielwert von weniger als 20 kg THG/m²a einhalten. Damit entspricht das UmweltQuartier schon heute den strengen Zielvorgaben, die für Gebäude ab 2045 verbindlich gelten.

Redaktion: Wenn wir den selbstgewählten Kontext des UmweltQuartiers verlassen: Welche Wirkung soll das Bauprojekt in die umgebenden Stadtteile ausstrahlen?

Ingrid Spengler: Vor allem die öffentlich zugänglichen Freiflächen und Innenhöfe im UmweltQuartier sollen die Menschen im Stadtteil einladen und einbeziehen. Der Innenhof des UmweltHauses ist mit seinem Erdaufbau als grüne Oase gedacht, in der sich Arbeiten und Wohnen in einem produktiven Wohlfühlambiente begegnen. Weitere Treffpunkte sind der Biofachmarkt und das Café, Gemeinschaftsräume bieten Platz für gemeinschaftliche Aktionen. Wenn wir über die Wirkung des Gebäudes auf dessen Umgebung sprechen, müssen wir auch in Habitaten denken. Bedruckbare Fensterscheiben mit kleinen Punkten und Reflektionen sind für den Vogelschutz vorgesehen. Darüber hinaus bietet das UmweltHaus Nistplätze für Schwalben und ein Stück der Fassade wird bodenbasiert bewachsen als Lebensraum für Insekten. Derzeit wird auch noch diskutiert, ob sich Turmfalken ansiedeln lassen, die gleichzeitig eine Funktion als natürliche Taubenabwehr erfüllen können.

Redaktion: Was ist der aktuelle Stand des Projektes UmweltHaus? Wie geht es weiter und wann soll der Bau abgeschlossen sein?

Ingrid Spengler: Den Spatenstich für das UmweltHaus haben wir im Mai 2022 gefeiert, inzwischen stehen die Untergeschosse sowie die Erschließungstürme und im September haben wir nun mit dem Holzbau begonnen, den wir bis März nächsten Jahres abschließen wollen. 2025 soll das UmweltHaus dann für die Mitarbeitenden der UmweltBank bezugsfertig sein. Nach Fertigstellung wird die UmweltBank das Gebäude inklusive des Biofachmarkts mit seinem Café und den Büroflächen zur Miete dauerhaft im Bestand halten. Auch insofern ist das gesamte Projekt als langfristige und nachhaltige Investition konzipiert und folgt dem Leitgedanken, Ökologie und Ökonomie miteinander in Einklang zu bringen. Die weiteren Quartiersabschnitte befinden sich dagegen noch in der städtebaulichen Planung.


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